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Lücke in Geschichtsschreibung des Landes geschlossen

Historiker Rudolf Siegl bekommt am 14. Juni Preis von Geschichtsverein und Landeshauptmann. Er erstellte als erster Kurzbiographien aller 493 Kärntner Landtagsabgeordneten zwischen 1848 und 1938.

Er ist eigentlich Technischer Mathematiker und begann erst mit dem Pensionsantritt ein Geschichtestudium. Mit seiner Doktorarbeit hat der 76-jährige Klagenfurter Rudolf Siegl gerade eine Lücke in der Geschichtsschreibung des Landes geschlossen. In aufwendiger Recherche konnte er als erster Kurzbiographien aller 493 Kärntner Landtagsabgeordneten zwischen 1848 und 1938 erstellen. Dafür wird er nächste Woche mit dem „Preis des Geschichtsvereines für Kärnten und des Landeshauptmannes von Kärnten“ ausgezeichnet. Dieser ist mit insgesamt 3.000 Euro dotiert. Siegl wird im Zuge der Mitgliederversammlung des Geschichtsvereines, die am Mittwoch, 14. Juni, um 17.00 Uhr im Kärntner Landesarchiv in Klagenfurt beginnt, auch über seine Arbeit referieren. Im heurigen Spätherbst wird sie als Buch im Verlag des Kärntner Landesarchivs erscheinen.

Historiker Rudolf Siegl vor dem Landhaus in Klagenfurt. Er hat Biographien aller 493 Landtagsabgeordneten zwischen 1848 und 1938 erstellt. © Geschichtsverein/Markus Böhm
Historiker Rudolf Siegl vor dem Landhaus in Klagenfurt. Er hat Biographien aller 493 Landtagsabgeordneten zwischen 1848 und 1938 erstellt. © Geschichtsverein/Markus Böhm

„Nein, anfangs wusste ich nicht, wie viel Arbeit da auf mich zukommt“, gibt Siegl zu. Er verbrachte viele hundert Stunden im Kärntner Landesarchiv, im Archiv der Diözese Gurk und recherchierte auch in Pfarrarchiven evangelischer Kirchen. Durch die Digitalisierung konnte er aber einen Großteil der Archivarbeit von zu Hause aus erledigen. Siegls „Doktorvater“ Werner Drobesch von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt nennt es wissenschaftliche Pionierarbeit. „Rudolf Siegl hat nämlich ein bis dato unbearbeitet gebliebenes Forschungsfeld zur politischen Geschichte und politischen Kultur Kärntens aufgegriffen“, so Drobesch, der auch Direktor-Stellvertreter im Geschichtsverein ist. Er streicht hervor, dass Siegl nicht nur die Biographien der Abgeordneten erstellt, sondern diese auch im Kontext der Elitenforschung analysiert und interpretiert hat. „Der Bogen spannt sich von der sozialen Herkunft und Verweildauer im Landtag bis zum politischen Netzwerk“, erklärt Drobesch.

Für Siegl hat eine der spannendsten Biographien Josef Schwab, der von 1863 bis 1867 Abgeordneter war. „1867 trat er als hoher Beamter in den Ruhestand, doch die Höhe seiner Pension reichte für seinen Lebensstil nicht aus. Mit 46 hatte er eine um 25 Jahre jüngere Adelige geheiratet, lebte mit ihr, dem Sohn aus dieser Ehe und Personal in einer großen Wohnung in der Wiener Innenstadt“, erzählt der Historiker. Schwab besserte sein Einkommen mit gefälschten Schuldscheinen auf und wurde wegen Urkundenfälschung zu vier Jahren schweren Kerkers verurteilt. Nach der Haftentlassung 1872 lebte er in Rumänien als Angestellter der staatlichen Eisenbahn und verstarb bereits 1873.

Siegls Doktorarbeit zeigt auch die gesellschaftspolitische Entwicklung von 1848 bis 1938. „Das Wahlrecht der Monarchie war an eine Mindest-Steuerleistung geknüpft und schloss damit den Großteil der Bevölkerung von der politischen Mitbestimmung aus. Bei der Landtagswahl 1921 galt erstmals das allgemeine Wahlrecht für Frauen und Männer, da änderte sich im Kärntner Landtag das Stärkeverhältnis grundlegend bis heute. Während in der Monarchie die deutschliberalen bis deutschnationalen Gruppen dominierten, erzielte die Sozialdemokratische Partei bis 1934 die relative Mehrheit“, fasst er zusammen.

Historiker Rudolf Siegl vor dem Landhaus in Klagenfurt. Er hat Biographien aller 493 Landtagsabgeordneten zwischen 1848 und 1938 erstellt. © Geschichtsverein/Markus Böhm
Historiker Rudolf Siegl vor dem Landhaus in Klagenfurt. Er hat Biographien aller 493 Landtagsabgeordneten zwischen 1848 und 1938 erstellt. © Geschichtsverein/Markus Böhm

Siegl ist gebürtiger Niederösterreicher und schloss 1971 ein Studium der Technischen Mathematik an der heutigen TU Wien ab. 1975 übersiedelte er aus beruflichen Gründen nach Klagenfurt. Nach dem Pensionsantritt im April 2007 begann er mit seinem Geschichtestudium an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Informationen: https://geschichtsverein.ktn.gv.at/

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